Gehörte Grafenwald früher zu Bottrop?

von Rainer Weiß

Auf den Internetseiten von Stefan Krix (www.krix-s.de) zur Geschichte der Stadt Bottrop findet sich folgender Eintrag:

1823
Bottrop verliert an Gebiet: Grafenwald wird Kirchhellen zugewiesen.

Dieser Eintrag überraschte mich. Also forschte ich ein wenig nach:

Im Vestischen Lagerbuch von 1660 wurden die Grafenwälder Höfe zur Bauernschaft Holthausen im Kirchspiel Kirchhellen und nicht im Kirchspiel Bottrop aufgeführt. 
Bei der 1782 durchgeführten Zählung der Bauernhöfe, Kotten und Heuerlingswohnungen im Vest Recklinghausen sind die Grafenwälder im Kirchspiel Kirchhellen unter Holthausen und Overhagen aufgelistet.
Auch in der Einwohnerliste von 1818 finden sich die Grafenwälder unter Holthausen und Overhagen.

Hierin lassen sich keine Hinweise finden, dass Grafenwald früher zu Bottrop gehörte. Dann tauchte diese Ansichtkarte auf:

Grafenwald

"Gruss aus Bottrop" mit der Abbildung der Grafenmühle oben rechts. Die Jahresangabe ist im Poststempel nicht erkennbar. Die Briefmarke auf der Rückseite konnte von 1933 bis 1945 verwendet werden.

Sollte Grafenwald im Dritten Reich zu Bottrop gehört haben? Sicherlich nicht. Das wäre den Wöllern doch bekannt gewesen. Also zurück in die Zeit vor 1823:

Bis 1802 dauerte die kurkölnische Herrschaft über das Vest Recklinghausen, zum dem Kirchhellen und Bottrop gehörten. Der "Reichsdeputations-Hauptschluss" hob 1803 die geistlichen Fürstentümer, so auch Kurköln auf. Der Herzog von Arenberg erhielt als Entschädigung für seine an Frankreich verlorenen Gebiete u. a. das Vest Recklinghausen.

1811 vereinigte Napoleon das Vest Recklinghausen mit dem Herzogtum Berg. Die uralten Einteilungen von Kirchspielen und Bauerschaften wurden dabei teilweise aufgehoben und die Gebiete zu neuen Bürgermeistereien (Mairien) zusammengelegt. Die Maire Bottrop wurde aus den Kirchspielen Bottrop und Osterfeld gebildet. Zur Maire Kirchhellen gehörten das Kirchspiel Kirchhellen (ohne die Bauerschaft Ekel, die Dorsten zugeschlagen wurde) sowie die Bauerschaften Ellinghorst, Rentfort, Zweckel, Ober-, Mittel- und Niederscholven. Maire (Bürgermeister) von Kirchhellen war Freiherr Friedrich von Wenge auf Haus Beck, der zunächst auch die Maire Bottrop leitete. Im August 1811 bekam Bottrop einen eigenen Bürgermeister.

Das heutige Grafenwald gehörte als Teil des Kirchspiels Kirchhellen zur Maire Kirchhellen, hatte somit zeitweise den selben Bürgermeister wie Bottrop, gehörte aber nicht zu Bottrop.

1815 kamen Kirchhellen und Bottrop mit dem Vest Recklinghausen an Preußen.

1820/1821 wurden Kirchhellens ursprüngliche Grenzen wieder hergestellt. Am 1.1.1820 kam Ekel wieder zu Kirchhellen. Am 1.1.1821 wurden Ellinghorst, Rentfort, Zweckel und Scholven von Kirchhellen getrennt und wieder mit ihren ursprünglichen Kirchspielen Gladbeck und Buer vereinigt.

Am 1.1.1821 wurde Wilhelm Tourneau, der zuvor schon Bürgermeister von Kirchhellen war, in Personalunion auch Bürgermeister von Bottrop (einschl. Osterfeld).

1822 erfolgte die erste kartographische Erfassung Kirchhellens durch das sogenannte "Urkataster". Dabei entstand die Landkarte von 1822, die Kirchhellen mit den heutigen südlichen Grenzen zeigt.

1825 kam es zu Streitigkeiten wegen einer Grenzziehung entlang des Schöttelsbaches. Bürgermeister Tourneau hatte als Bürgermeister von Kirchhellen und von Bottrop die nördliche Bottroper Grenze so gelegt, dass das Gebiet des Fernewaldes ganz zu Bottrop gehörte. Wohl auf Protest der Kirchhellener wurde diese Grenzziehung wieder zurückgenommen und die Bottroper Grenzkarte nachträglich geändert. Hieraus kann man allerdings nicht schließen, Grafenwald hätte früher zu Bottrop gehört. Es ging bei dem Streit lediglich um den Fernewald. Als "Grafenwald" wurde damals das nördlich an den Fernewald angrenzende Gebiet bezeichnet, das Gebiet etwa zwischen altem Postweg im Westen, Schleitkamp im Norden, Bottroper Straße im Osten und dem Schöttelsbach im Süden.


letzte Änderung: 25.02.2022 Impressum - Datenschutz