Karl Wessels: "Was uns der Ortsname Kirchhellen sagt."

Was uns der Ortsname Kirchhellen sagt.

Von Karl Wessels, Kirchhellen

Kirchhellen ist ein zusammengesetztes Dingwort. Es besteht aus dem Grundwort "Hellen" und dem Bestimmungswort "Kirche". Eine ähnliche Form haben wir in dem Hofnamen Nothelle, der heute noch im nördlichen Teil der Gemeinde Kirchhellen vorkommt. Als selbstständige Wortform hat sich das Grundwort in dem Bauerschaftsnamen Hillen, jetzt Recklinghausen-Ost erhalten. Überdies ist der Name Hillen im ganzen deutschen Sprachgebiet, vorzüglich aber in Niedersachen verbreitet.

Das Grundwort Hillen oder Hellen ist von helle = hoch abzuleiten. Zunächst wurde helle nur auf einen Ton oder auf die Stimme bezogen. Heute sagt man noch: helle Stimme. Das "hell" als Lichtbezeichnung, im Gegensatz zu dunkel oder finster, ist jüngeren Datums. Man unterscheidet helle und dunkle Farben.

Da die Helligkeit, das Helle in den allermeisten Fällen mit der Höhe wächst (vgl. Berg und Tal), hat man hell auch für hoch gesetzt. Unser deutsches Wort Hügel heißt im Englischen the hill. Der Münsterländer nennt den über den Viehställen gelegenen Raum Hille. Der Schiffer kennt die abfallende bzw. ansteigende Ebene auf der Schiffswerft und später diese selbst unter dem Namen Helling. Nach J. und W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, gibt es in der Schiffersprache eine Wortform helde; von helden lopen heißt vom Stapel laufen. Helde, Halde bedeutet also eine ansteigende oder sich neigende Stelle. Als solche ist uns ja auch die Halde im Bergwerksbetriebe bekannt.

Der Name Hillen oder Hellen in seiner obigen Deutung passt so recht auf Kirchhellen, das auf der Wasserscheide zwischen Emscher und Lippe gelegen ist. Diese Wasserscheide bildet der vestische Höhenrücken, der seit alters für die Wegführung von hoher Bedeutung gewesen ist 1).

Woher kommt nun der heutige Name Kirchhellen? Das Bestimmungswort Kirche ist im frühen Mittelalter dem Grundwort beigefügt worden. In jener Zeit bekam nämlich Kirchhellen seine Kirche. Um Irrtümer und Verwechselungen zu vermeiden, nannte man den Ort fortan Kirchhellen. Nebenher blieb auch noch der Name Hillen bestehen. Das geht aus verschiedenen Urkunden hervor. Erzbischof Heribert, der um das Jahr 1000 lebte, überweis dem Kloster Deutz die Kirche in Hillen mit ihren gesamten Einkünften. In den päpstlichen Bestätigungsbullen wird Kirchhellen einmal, Hillen zweimal genannt. Um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts werden ein Konrad von Hillen und ein Hermann von Hillen urkundlich erwähnt.

Warum Kirchhellen und nicht Kirchhillen? Über diese Frage gibt uns eine sprachgeschichtliche Betrachtung Aufschluss. Die Bildung des zusammengesetzten Dingwortes vollzog sich in der mittelhochdeutschen Sprachperiode. Diese Periode ist gekennzeichnet durch einen Verdumpfung der Selbstlaute besonders in den Nebensilben. Während "Kirche" das i in unsere Zeit hinüberrettete, passte sich das i in "Hillen" dem nachfolgenden e an, eine Erscheinung, die man in der Sprachgeschichte mit Angleichung bezeichnet. Sie ist auf die Bequemlichkeit beim Sprechen zurückzuführen. Man versuche, was leichter zu sagen ist: Kirchhillen oder Kirchhellen. Der Plattdeutsche geht noch weiter und spricht Kerkhellen oder gar Kerkelln.

Zusammenfassend sei gesagt:

Kirchhellen bedeutet ein Hellen, das durch eine Kirche ausgezeichnet worden ist. Hellen heiß Höhe, aber auch Licht, Helligkeit. Bei jeder Deutung des Namens Kirchhellen ist der Schwerpunkt auf Hellen zu legen. Hellen ist das Primäre, das Grundwort. Durch das Bestimmungswort Kirche wird der Ort von anderen Orten gleichen Namens unterschieden.

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1) Die Straße von Bottrop über Kirchhellen wird schon 1662 der Dürstensche Hellweg genannt. Siehe Vest. Zeitschrift 1 S. 22.


Der Artikel von Karl Wessels erschien 1927 in der Vestischen Zeitschrift, S. 399 - 401


letzte Änderung: 21.05.2009 Impressum - Datenschutz